Obwohl die “Seidendenstraße” zu den ältesten Handelswegen gehört, erhielt sie ihren Namen erst im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts. Der Begriff, den der deutsche Geograph Ferdinand von Richthofen, prägte, ist allerdings etwas zu kurz gefaßt. Zum Einen weil es nicht nur “eine Straße” ist, sondern ein System von Handelswegen und zum Anderen - und das ist das Entscheidende - weil neben dem zwar sehr auffallenden Produkt Seide natürlich viele andere Dinge gehandelt wurden wie Gold, Silber, Edelsteine, Perlen, Korallen, Elfenbein aber auch Wolle, Glas usw.
Auf den Handelswegen wurden aber mehr als nur materielle Güter transportiert. Mit den Menschen wanderten auch wissenschaftlich – technische, wirtschaftliche und politische Ideen, religiöse Weltanschauungen und Sprachen.
All das hat seinen Niederschlag an vielen Orten entlang der Seidenstraße gefunden und zum Teil weit darüber hinaus.
Die meisten Händler entlang der Seidenstraße transportierten ihre Waren nicht vom Ausgangspunkt bis zum Ende des Weges sondern immer nur gewisse Strecken, an deren Endpunkten die Waren dann weiterverkauft und umgeschlagen wurden.
Dunhuang, ehemals ein strategisch wichtiger Punkt im äußersten Nordwesten des chinesischen Reiches, wurde zu solch einem Warenumschlags- und Handelszentrum.
Es war die erste befestigte Siedlung in China für Händler, die aus dem Westen kamen und die letzte für Händler die aus dem Osten kamen.
Händler im Fernhandel mit ihren besonders wertvollen Waren hatten wie überall auf der Welt natürlich auch in Asien ein besonderes Bedürfnis nach Schutz und Beistand - nicht nur ganz praktischen vor Räubern und Mördern, sondern auch seelisch-moralischen.
Wie in anderen Religionen so setzten auch die buddhistischen Händler neben bewaffnetem Schutz ebenfalls auf den Beistand transzendenter Kräfte.
Den Beistand Buddhas und seiner Heerscharen an Boddhi-sattwas, Göttern und anderen Heilsbringern konnte man am einfachsten erwerben, in dem man z.B. die klösterlichen Gemeinden mit Spenden unterstützte oder Tempel baute bzw. bauen ließ.
Die Unterstützung der Klöster und die Verbreitung des Glaubens galt als gute Tat, von der es hieß, daß sie neben Hilfe zu Lebzeiten auch dadurch belohnt würde, daß man im nächsten Leben ein glücklicheres und wohlhabenderes Leben führen könnte oder die sogar dabei half, den Kreislauf der Wieder-geburten zu durchbrechen.
Daneben hatte ein solches Verhalten natürlich auch einen ganz profanen Nutzen. Es hob nämlich das allgemeine Ansehen bei den Mitmenschen, was den Geschäften ja wiederum nur zuträglich sein konnte.
So verwundert es auch nicht, daß die buddhistische Literatur jede Menge Geschichten enthält, die Bezug zum Fernhandel haben und daß Karawanenhändler und reiche Banker zu den ersten Spendern und Unterstüzern des Buddhismus gehörten.
Aus all diesen Gründen hatte sich Dunhuang neben einem Handelszentrum auch zu einem wichtigen Zentrum des kulturellen Austausches entwickelt.
25 km südöstlich der Stadt Dunhuang wurden in das Westufer des hier von Süd nach Nord fließenden Daquan Flußes auf 1600 m im Laufe von mehr als 1000 Jahren über 700 Grotten in fünf Etagen gegraben.
Mit dem Bau von Grotten folgte man einer aus Indien stammenden Tradition.
Das Ufer des Flusses besteht aus alluvialen and pluvialen quartären Konglomeraten mit tonigem und kalkigem Bindemittel. Die Konglomerate selber liegen auf einer Basis aus Graniten und Gneisen auf, die hier aber nicht aufgeschlossen ist. Das ganze Gebiet ist tektonisch stark beansprucht und die Grundwasserführung wird von immer noch aktiven Störungszonen kontrolliert.
Von den mehr als 700 Grotten die es heute hier noch gibt, beinhalten 492 Skulpturen und in Summe über 45 000 m2 Wandmalereien.
Nach einer Tangzeitlichen [618 – 907 u.Z.] Inschrift soll die erste Grotte hier im Jahr 366 u.Z. geschaffen worden sein.
Die letzten Grotten wurden rund tausend Jahre später in der Yuan Dynastie gegraben. Danach begann der Niedergang der Kultur der buddhistischen Felsengrotten in Dunhuang.
Neben der Behausung der Mönche dienten die Grotten vor allem der Meditation, der Anbetung und Verehrung Buddhas sowie der Aufbewahrung von Schriften und anderen Dingen.
Heutigen Tags werden die Grotten besonders wegen der Wandmalereien besucht.
Diese mit Minralfarben gemalten Bilder enthalten Darstellungen
- von allen buddhistischen Heiligen,
- der Lebensgeschichte Buddhas - der Geschichte seines letzten Lebens sowie aller vorausgegangenen Leben,
- belehrende Geschichten über das Karma, das zur Wiedergeburt führt,
- Darstellungen aus den buddhistischen Sutren, insbesondere die Beschreibung des “Reinen Landes”
- aber auch Figuren und Geschichten aus der chinesische Mythologie - wie z.B. die Schöpferfiguren Fuxi und Nüwa, die Königin Mutter des Westens, der rote Vogel im Süden und andere
- aber auch von Garuda, dem vogelartigen Wesen das dem hinduistischen Gottes Vishnu als Reittier dient
- sowie viele phantastischer Geschöpfe die aus der Verschmelzung indischer mit zentralasiatischer und chinesischer Mythologie entstanden.
In den Wandbildern findet man natürlich auch Darstellungen historischer Persönlichkeiten, solche die in der Geschichte Indiens und Zentralasiens eine Rolle spielten aber auch die lokaler Persönlichkeiten aus Zhangye, Jiuquan und anderer chinesischer Orte sowie die Bildnisse von Stiftern, die den Bau von Grotten finanzierten.
Darüberhinaus sieht man in den Wandgemälden Bilder von Personen aus allen sozialen Schichten - Bauern, Handwerker, Händler, Musiker, Artisten usw. – sowie aus den verschiedenen ethnischen Gruppen, die in Dunhuang aufeinander trafen.
Und nicht zuvergessen Pflanzen Tiere, Arbeitsgeräte , Musikinstrumente, Ornamente und vieles vieles mehr.
Die Wandgemälde, aber auch die Architektur und die Skulpturen in den Grotten sind somit ein Bilder- und Geschichtsbuch des täglichen Lebens und der historischen Ereignisse in China und den umgebenden Ländern, das Auskunft gibt über Ökonomie, Politik, Religion, Geschicht, Wissenschaft und Kunst über rund tausend Jahre, die längst noch nicht vollständig erforscht sind.
Das macht die Wandgemälde, neben dem kunstlerischen Aspekt, so besonders wertvoll.
Da die Grotten in ein mit Kies und Steinen durchsetztes relativ loses Konglomerat gegraben wurden, mußten die Wände erst durch das Auftragen eines “Putzes” geglättet werden, auf den man dann malen konnte.
Ebenso konnte man keine feingliedigen Figuren aus dem Gestein herausarbeiten. An vielen beschädigten Figuren kann man erkennen, daß deshalb um ein Holzgerüst herum ein Mantel aus Lehm geformt wurde, den man dann ebenfalls anmalte.
Der “Putz” und der Lehmmantel der Figuren besteht aus mehren Lagen - einer gröberen Lage, die meist aus Lehm mit Strohhäckseln besteht, gefolgt von einer feinkörnigeren tonigeren Lage, auf die dann ein Malgrund aufgetragen wurde. Die Bemalung erfolgte anschließend mit Minralfarben, denen manchmal organische Bindemittel zugesetzt wurden.
Im Laufe der Jahrhunderte kam es durch wiederholte Austrocknung und Durchfeuchtung dieser Schichten und auf Grund der dadurch verurachten biologischen, chemischen und physikalischen Prozessen zu Ablösungen der einzelnen Lagen und auch zu chemischen und damit optischen Veränderungen einiger Mineralfarben.
Darueber hinaus wirkten geologische Prozesse wie Erdbeben oder das Voranschreiten der Wüsten zerstörend auf die Grotten ein.
Im Januar 1944 noch mitten im Krieg wurde das „Nationale Dunhuanger Kunst- Forschungsinstitut“ gegründet, aus dem dann 1950 das „Dunhuanger Forschungsinstitut für Kulturdenkmäler“ hervorging, die heutige „Dunhuanger Akademie“.
Zu Beginn der Arbeit lag für lange Zeit ein Schwerpunkt auf Sofortmaßnahmen zur Rettung und Sicherung der Grotten.
Man erkannte, daß solche Sofortmaßnahmen nur an besonders gefährdeten Stellen durchgeführt werden sollten, da ungeeignete Maßnahmen zu noch erheblicheren Zerstörungen führen konnten.
Die Konservierungsmethoden entsprachen dem Wissensstand der Zeit und halfen die am stärksten bedrohten Grotten zu erhalten.
Ein Großteil der Arbeiten der letzten vierzig Jahre konzentrierte sich auf Sofortmaßnahmen zur Sicherung der von Erdbeben beschädigten Grotten. So wurde z.B. in den 1960er Jahren die in Farbe und Struktur der Umgebung nachempfundene Betonwand geschaffen, um den Einsturz eines großen Bereiches der Felswand zu verhindern und die empfindlichen Wandmalereien vor dem Einfluß der Witterung zu schützen.
Gegenwärtig konzentrieren sich die Arbeiten auf die Untersuchng der komplexen Wechselwirkungen der Grotten, der Skulpturen und der Wandmalereien mit der Umwelt, sowie auf die Sanierung besonders gefährdeter Wandgemälde. Dabei arbeitet man heute eng mit erfahrenen Instituten anderer Länder zusammen.
An dieser Stelle soll darauf aufmerksam gemacht werden, daß durch den persönlichen Einsatz von Zhou Enlai - Premierminister der Volksrepublik China von 1949 bis zu seinem Tod im Jahr 1976 - die Mogao Grotten während der sogenannten Kulturrevolution nicht zusätzlichen Schaden nahmen.
Im Jahre 1900 entdeckte der daoistische Mönch Wang Yuanlu durch Zufall die sogenannte “Bibliotheksgrotte”. Es war eine etwa um das Jahr 1000 u.Z. in einer unruhigen Periode kriegerischer Auseinandersetzungen zugemauerte Grotte. Sie enthielt unter anderem einige Tausend Schriftdokumente. Obwohl der Mönch die örtliche Verwaltung des Kaiserreiches informierte, interessierte sich die Regierung nicht für den Fund.
Gerüchte über den Fund aber machten die Runde und veranlaßten etliche Abenteurer und Wissenschaftler nach Dunhuang zu kommen und Dokumente zu erwerben.
So wurde im Laufe der Jahre der größte Teil des Fundes in alle Welt verstreut. Zum Glück wurde das meiste davon an öffentliche Einrichtungen wie Museen und Bibliotheken weiter verkauft, wo sie konserviert, katalogisiert und der Wissenschaft zugänglich gemacht wurden.
Im Oktober 1993 trafen sich Konservatoren und Kuratoren aller Sammlungen mit derartigem Material, um ihre Probleme zu diskutieren. Als Ergebnis dieser Diskussionen wurde Anfang 1994 das „Internationale Dunhuang Projekt (IDP)“ gegründet, um die Erforschung und Erhaltung des kulturellen Vermächtnisses von Dunhuang durch eine internationale Kooperation zu fördern und Informationen und Bilder zu mehr als 100.000 Manuskripten, Gemälden, Textilien und Artefakten aus Dunhuang und anderen Fundstätten an der Seidenstraße frei im Internet verfügbar zu machen. [Siehe http://idp.bbaw.de/idp.a4d ]
Durch den sich besonders in den letzten Jahren verstärkenden Tourismus entstehen neue Belastungen für die Grotten und neue Herausfordeungen für ihren Schutz.
Besonders die Veränderungen der Temperatur, der Luftfeuchtigkeit und der Luftqualität in den Grotten, verursacht durch die vielen Besucher und durch die auch in der Wüste zu beobachtenden, zunehmenden Umweltbelastungen, entstehen zusätzliche Probleme beim Erhalt der Bilder.
Aus diesem Grunde wird die Aufenthaltsdauer in den Grotten und die Zahl der Besucher die auf einmal in die Grotten dürfen beschränkt, auch sind immer nur einige Grotten zu sehen, die dann im Laufe des Jahres wechseln.
Besonders empfehlenswert ist deshalb auch der Besuch des „Forschungs- und Ausstellungszentrums“ gegen über dem Parkplatz. Hier wurden in einem halbunterirdischen Komplex acht Grotten nachgebaut. Im Gegensatz zu den Originalen sind die detailgetreuen Reproduktionen hell erleuchtet und man kann die Wandmalereien aus der Nähe betrachten. Das bietet eine gute Ergänzung zu dem Besuch der originalen Grotten.
[© china-entdecken.com Gert Wiemeier + Desiree Burkhardt]